Solo für Lebenskünstler: Kreative Maltechniken
Keine ist wie die andere. Jede ist ein mit Leben erfülltes Original, das die Handschrift ihres Meisters trägt. Eine Wand, die den Vorzug einer Gestaltung mit einer kreativen Maltechnik erfährt, darf sich zurecht etwas Besonderes nennen. Sie steht in der künstlerischen Tradition von jahrhundertealten Auftragstechniken, die bis heute erhalten und von den Malern und Lackierern mit modernen Werkstoffen neu interprtiert werden. Mit Bürsten, Schwämmen und Tüchern wird Farbe z. B. transparent gewickelt, gestupft oder gewischt. Scheinbar zufällige Strukturen geben ein vielschichtiges und organisches Gesamtbild. Neben den schwerelosen Lasuren zählen auch die edle Glättetechnik sowie die eleganten Antiktechniken auf ökologischer Kalkbasis zu den kreativen Maltechniken.
Glättemarmortechnik
Marmor ist ein faszinierender Werkstoff. Der Glanz und die Transparenz seiner polierten Oberfläche üben ein geheimnisvolle Anziehungskraft aus. Doch nicht nur der echte Marmor, auch dessen malerische Imitation war in der Vergangenheit gefragte Dekoration für repräsentative Räume. Marmorierte Säulen, Pilaster und Wandverblendungen galten seit jeher als ausdruck von reichtum und Macht. Wurde die Marmorimitation nördlich der Alpen ursprünglich als preiswerte Alternative zum echten italienischen Marmor entwickelt, so erreichte die Stuckmarmorimitation zur Zeit des Barocks eine solch hohe Wertschätzung, daß gemalter Marmor teurer sein durfte als echter.
An die Stelle der aufwendigen Marmormalerei ist heute der glättemarmor getreten. mit dieser zeitgemäßen Methode lassen sich rasch marmohrähnliche Oberflächen schaffen, die auch im Detail nuancenreich sind.
Spachteltechnik
Die Ursprünge der zur Zeit so beliebten Spachteltechnik lassen sich bis weit in die antike zurückverfolgen. Bei der Freilegung der römischen Städte Pompeji und Herculaneum, die um das Jahr 79 n. Chr. bei einem Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurden, entdeckte man kostbare geglättete Flächen. Sie entstanden in einer Arbeitsweise, die später als Stucco-lustro-Technik bekannt wurde. Der Begriff „Stucco lustro“ stammt aus dem italienischen und bedeutet wörtlich übersetzt „blanker Stuck“. Er umschreibt ein besonderes Freskoverfahren, bei dem die Malerei durch Polieren mit einem heißen Glätteisen auf Hochglanz gebracht wird. Da dieses traditionelles verfahren sehr aufwendig ist, wurde es durch die viel rationellere Glättspachteltechnik fast völlig verdrängt.
Gewolkte Oberflächen
Inspiriert durch die Farbverläufe des Himmels, umschreibt man mit der Bezeichnung „gewolkte Oberfläche“ eine nuancierte Farbwirkung, wie sie mit einer Vielzahl von Maltechniken erreichbar ist. Zwei der wichtigsten Malweisen mit wäßrigen Anstrichstoffen sind die Wisch- und Pinsellasurtechnik. Die Farbigkeit gewolkter Oberflächen entsteht durch ein schwer faßbares Wechselspiel aus fließenden Übergängen, Durchdringungen und Transparenz. Während deckende Anstriche zweidimensional-flächig erscheinen, bilden gewolkte Lasuroberflächen eine optische Räumlichkeit aus, die ungleich vergeistigter und lebendiger wirkt als jede deckende Beschichtung.
Wischtechnik
Die Wischtechnik erhält ihre Leuchtkraft durch Unter- und Übermalungen von halbdeckenden und lasierenden, dünnen Farbschichten. Leicht faserige oder feinkörnige Untergründe eignen sich am besten für einen gewischten Lasurauftrag, doch auch putz, Rauhfaser oder Glasgewebe sind interessante Untergründe. Die Wischtechnik läßt sich mit einfachen Innendispersionsfarben ausführen.
Pinsellasur
Werden gewolkte Oberflächen mit einer gerichteten Textur gewünscht, sind neben der Wischtechnik mit dem schwamm auch Lasurtechniken mit Pinseln oder Bürste interessant. Die Pinsellasurtechnik kann in ihrer reinen Form nur mit Anstrichmitteln ausgeführt werden, die eine lange offenzeit aufweisen. Langsam trocknende Acryllasuren haben sich vor allem auf schwach saugenden Untergründen bewährt. Die Pinsellasur ist somit in idealer Weise als Renovierungsanstrich auf Glasgewebe geeignet. Auf glatten Untergründen erscheinen Pinsellasuren durch ihre Wechselwirkung zwischen gerichteter Textur und Pinselduktus besonders edel. Bevorzugt wir diese Technik in Cafe´s, Restaurants und Boutiqen angewendet. Aber auch in Bad oder Flur kann eine Pinsellasur Wände dynamisieren.
Stupftechnik
Gestupfte und gewolkte Oberflächen eignen sich besonders gut für den Wohn- und Eßbereich. Bereits mit einfachsten Mitteln lassen sich selbst auf strukturierten Untergründen wie Rauhfaser, Feinputz oder Glasgewebe überzeugende Effekte erreichen. Die dicht nebeneinanderliegenden Farbstrukturen unterschiedlichster Tönung rufen eine ganz besondere Farbwirkung hervor. Maler wie George Seurat oder Paul Signac nutzten dieses Phänomen der additiven Farbmischung, indem sie komplementäre Farbe kontrastreich nebeneinander setzten. Die Farbwirkung selbst entsteht erst dur die optische mischung im Auge des Betrachters. Aus der von fern erscheinen die farbstrukturen atmosphärische, gewolkt.
Wickeltechnik
Die typischen knittrig-organischen Texturen gewickelter Oberflächen haben eine lange Tradition: Während der Blütezeit der Dekorationsmalerei, im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, war diese einfache methode weit verbreitet. Für die illusionistische Nachempfindung verschiedener Stein- und Holzarten dienten gewickelte Flächen oft als Grundlage. Nach 1945, als Tapeten noch Mangelware darstellten, bot die Wickeltechnik eine Möglichkeit, große Flächen einfach und schnell tapetenähnlich zu mustern. Der Verbrauch meist selbst hergestellter Leimfarbe war bei dieser Arbeitsweise verhältnismäßig gering. Als praktischer Nebeneffekt erwies sich, daß die knittrige Farbtextur Unebenheiten der Wände recht gut kaschieren vermochte.
Mittlerweile hat die gewickelte Oberfläche den Beigeschmack von Einfachheit und Verstaubtheit verloren. Nicht nur denkmalpflegerische Aufgaben verlangen diese Technik, auch im modernen kontext entfaltet sie ihre verborgene Schönheit. Zurückhaltend-sanft, lebhaft, farbharmonisch oder mehrfarbig-kotrastreich: Dank ihrer außerordentlichen Variationsfähigkeit läßt sich die Wickeltechnik fast allen Situationen anpassen.